Umgang mit unerwünschtem Verhalten
Mein Hund benötigt etwas mehr Erziehung! Er macht überhaupt nicht, was ich will und testet ständig seine Grenzen aus. So oder so ähnlich klingen viele Sätze von Kunden, wenn sie zu mir ins Training kommen. Ich möchte in diesem Beitrag einen etwas anderen Umgang mit unerwünschtem Verhalten aufzeigen.
Eigentlich ist er ein lieber Hund, aber…
Die Liste der unliebsamen Verhaltensweisen unserer Hunde ist lange. Er bellt zu oft und zu lange, er läuft ohne Leine weg und kommt nicht, wenn er gerufen wird. Dauernd springt er andere Menschen an und zieht zu anderen Hunden hin, weil er mit jedem spielen möchte. Er zerrt wie verrückt an der Leine und verjagt jeden Fahrradfahrer und jede Katze. Dinge, die der Hunde gut macht, werden höchstens beiläufig erwähnt oder als Selbstverständlichkeit angesehen. An Verhaltensänderungen zu arbeiten ist wichtig, um dem Hund zu
helfen und ein harmonisches Zusammenleben wieder herzustellen.
Aber warum legen wir den Fokus ständig auf das Negative? Wir Menschen möchten immer alles unter Kontrolle haben und nicht negativ auffallen. Am besten wären wir perfekt – und genau das erwarten wir von unserem Hund. Doch können wir etwas verlangen, das wir selbst nicht erfüllen? Lieben wir nicht unsere Familie, Freunde, Partner genau für ihre Eigen- und Besonderheiten?
Wäre es nicht viel einfacher und schöner aufzuzählen, was mein Hund alles super macht?
Mein Hund kann…
Wie wäre es mit einem kleinen Experiment? Schreibt auf, was Euer Hund gut kann, was am Spaziergang Spaß gemacht hat und für was Ihr ihn schätzt. Welche besonderen Stärken hat er, in welchen Situationen kann ich mich auf ihn verlassen? Wenn ihr das gemacht habt, dann konzentriert Euch auf die guten Dinge und baut seine Stärken weiter aus. Ich bin mir sicher, ihr werdet staunen, was dieser Perspektivwechsel für Eure Beziehung bedeutet.
Ich mache mal ein Beispiel. Jimmy, der Hund meiner Eltern bellt oft und laut und lange. Er schnappt, wenn ihm etwas nicht passt und hört überhaupt nicht, wenn man ihn ruft. Beim Tierarzt ist er eine Katastrophe und eine Zecke zu entfernen gleicht einem Sondereinsatzkommando, in dem niemand weiß, ob er die Situation unbeschadet übersteht. Motorradfahrer sind seine Endgegner, da wird in die Leine gesprungen und die Vorderbeine wedeln theatralisch in der Luft!
Jimmy könnte ich aber auch so beschreiben: Jimmy kann super ohne Leine laufen, er rennt nicht weg und bleibt immer irgendwo in meiner Nähe, wo er sich dann selbstständig beschäftigt. Ich muss ihn deshalb fast nie zu mir her rufen, da er unseren Radius gut einhält. An der Leine läuft er total entspannt und auch Hunden begegnet er sehr freundlich und unaufdringlich. Er bellt, sodass ich weiß, wann Besuch kommt. Ich sage den Menschen, dass sie ihn nicht streicheln sollen, woraufhin Jimmy diese freundlich begrüßt. Er ist total verschmust, fährt gut im Auto mit und bereichert jeden Urlaub. Alleine bleiben funktioniert problemlos und er kommt auch in fremder Umgebung sehr gut zur Ruhe, weshalb er mich überall mit hin begleiten kann.
Wenn wir unsere Hunde für das schätzen, was sie richtig machen und sie in ihren Stärken weiter fördern, dann baut dies Vertrauen zu uns auf und bereichert unsere Beziehung zueinander. Manche Probleme verschwinden sogar von ganz alleine, wie zum Beispiel das viele Bellen.
Was wohl unsere Hunde über uns denken? Die Negativliste könnte auf jeden Fall genau so lange sein. Ich bin mir aber sicher, dass sie uns genauso für unsere Schwächen lieben und uns so akzeptieren wie wir sind. Wir können also viel von ihnen lernen. 🙂